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Testament durch Aufkleber auf einem Briefumschlag?

Formfragen bei eigenhändigen Testamenten befassen die Gerichtspraxis immer wieder. Vor einiger Zeit hatte etwa das OLG Oldenburg (Beschluss vom 20.12.2023 – 3 W 96/23) zu entscheiden, ob die unterschriebene Notiz „BB kriegt alles“ auf einem Notizblock einer Gastwirtschaft, aufgefunden zwischen unbezahlten „Bierdeckeln“, ein gültiges Testament darstellen kann. Trotz der ungewöhnlichen Umstände hatte das Oberlandesgericht das Vorliegen eines gültigen Testaments, anders noch als das erstinstanzlich befasste Amtsgericht, bejaht.

Weniger Glück hatte eine Erblasserin in einem Sachverhalt, der einer kürzlich ergangenen Entscheidung des OLG München (Beschluss vom 23.07.2024 – 33 Wx 329/23 e) zugrunde liegt. In diesem Fall war das vermeintliche Testament auf einem Briefumschlag hinterlassen worden. Die Erblasserin hatte dort (wohl eigenhändig) notiert:

„Familie F. Liebe Grüße!!!
Internet alles löschen Seelenmess! Rechter Schrank schw. Kleid Schultertuch Gab: 2‘.
Rest Dir.“

Zwischen den Worten „Rest Dir“ war ein Pfeil zu einem maschinengeschriebenen Adressaufkleber des vermeintlichen Erben gezeichnet. Die (vermeintliche) Unterschrift der Erblasserin befand sich oberhalb dieses Adressaufklebers neben dem Wort „Schultertuch“. Der vermeintliche Erbe hatte unter Berufung darauf, dass der gesamte Text, die Unterschrift und der Pfeil mit Ausnahme des Adressaufklebers –von der Erblasserin handschriftlich gefertigt wurden, einen Erbschein beantragt. Sowohl das Amts- als auch das Oberlandesgericht lehnten die Erteilung eines Erbscheins ab.

Das Gesamtwerk auf dem Briefumschlag erfüllt nach Ansicht der Richter nicht die Voraussetzungen eines eigenhändig abgefassten, handschriftlichen Testaments, weil es sich nicht um einen durchgängig schriftlich verfassten Text handelt und es an der erforderlichen Unterschrift fehlt. Die Echtheit des Testierwillens der vermeintlichen Erblasserin lasse sich so nicht vollständig überprüfen.

Die Verwendung des Pfeils stellt keine Schrift, sondern ein Symbol dar, der sich nicht auf seine Urheberschaft überprüfen lässt. Im Gegensatz zu einer verfassten Schrift könne ein Symbol nicht auf die klassischen individuellen Züge der vermeintlichen Erblasserin untersucht werden. Damit könne auf diesem Weg der Zweck, den der Gesetzgeber bei Anordnung des Gebots der Handschriftlichkeit vor Augen hatte, nicht verwirklicht werden.
Daneben durchbricht die Verwendung des Adressaufklebers das Gebot des durchgängig eigenhändig zu verfassenden letzten Willens. Der Adressaufkleber müsse bei der Überprüfung der Echtheit des Testaments zwingend mitberücksichtigt werden, weil er inhaltlich essenziell ist, weist er doch allein auf die vermeintliche Erbeinsetzung hin. Der maschinelle Aufkleber lasse aber ebenfalls keine Rückschlüsse auf die Identität der vermeintlichen Erblasserin als Verfasserin des Schriftstücks zu. Das Problem werde auch nicht dadurch gelöst, dass nur vorstellbar sei, dass der Pfeil und Aufkleber nachträglich von einer anderen Person angebracht wurden. Es handele sich bei dem Formgebot um eine grundlegende Wirksamkeitsvoraussetzung, die nicht nur in Fällen eingreife, in denen die fehlende Echtheit tatsächlich zweifelhaft ist. Der handschriftliche Teil des Testaments sei schließlich nicht aus sich heraus verständlich, womit man den Aufkleber hätte ignorieren können. Damit kam es für das Gericht letztlich nicht mehr auf die Frage an, ob bereits die Verwendung eines entsprechenden Materials den Willen der Erblasserin in Zweifel ziehen könnte, einen rechtsverbindlichen Text abzufassen.

Schließlich fehle es an einer für ein wirksames eigenhändig verfasstes Testament erforderlichen Unterschrift. Dem Schriftzug in der rechten oberen Hälfte unterhalb des Wortes „Schultertuch“ fehlt es an der Erfüllung der für die Unterschrift erforderlichen Abschlussfunktion, weil er sich – unabhängig davon, ob er tatsächlich von der vermeintlichen Erblasserin stammt – mitten im Text und nicht am unteren Rand unterhalb des Adressaufklebers befindet. Der Schriftzug gebe aufgrund seiner Position daher keine Gewähr für den Abschluss des vermeintlichen Testaments.

Die Entscheidung des OLG München ist Teil einer Reihe von Entscheidungen, die aufzeigen, dass die vermeintlich einfache Form der Eigenhändigkeit keineswegs so einfach verwirklichen lässt, wie von vielen angenommen. Leider stoßen wir auch in der Beratungspraxis nicht selten auf Testamente, die diesen Anforderungen nicht entsprechen. Selbst wenn Testamente aber formgerecht abgefasst werden, stellen sich damit nicht selten Folgeprobleme. So ist der Text des betreffenden Testaments für sich genommen auch kaum verständlich gewesen, ohne intensiven Einblick in die Lebensverhältnisse der Erblasserin zu haben. Auch Testamente, die vermeintlich die richtigen fachlichen Begriffe verwenden, erreichen aber nicht immer das Regelungsziel des Erblassers. Denn ohne fachkundige Beratung ist oft nicht klar, welche Rechtsfolgen in erbrechtlicher oder steuerlicher Sicht eintreten, die später zu Problemen führen.

Ganz abgesehen davon bleibt, wenn nur ein handschriftliches Testament hinterlassen wird, ein Erbschein erforderlich, durch den gegenüber Banken, Ämtern und Gerichten nachgewiesen werden kann, wer geerbt hat. Das Erbscheinsverfahren ist kostenpflichtig und in vielen Fällen teurer als die Abfassung eines notariellen Testaments. Das notarielle Testament wird entweder durch den Notar oder das Nachlassgericht verwahrt und nach der Mitteilung des Sterbefalls eröffnet. Ein Erbschein ist dann im Regelfall nicht erforderlich. Das notarielle Testament ist daher in vielen Situationen die unbürokratischere und günstigere Lösung, alle relevanten Fragen für den Erbfall zu regeln. Außerdem ist dabei unsere Beratung inklusive. Kontaktieren Sie uns gerne, damit wir Sie bei der Abfassung Ihres letzten Willens unterstützen können.